Reinbek 13.09.2022
Entspricht der von Verwaltung und CDU-SPD-Grüne beschlossene Bauentwurf (Kreis-Vorlage 2022/4553) zur „grundhaften Erneuerung“ der Kreisstraße K109 „Papendieker Redder“ in der Stadt Glinde den heutigen Anforderungen des Artenschutzes, des Klimaschutzes und der erforderlichen Klimaanpassung? Nein – dieser Bauentwurf passt nicht in die heutige Zeit!
Der Kreis Stormarn ist verantwortlich für die Unterhaltung der Kreisstraße K109 und beabsichtigt die „grundhafte Erneuerung“ des Abschnittes von der „Möllner Landstraße“ (L94) bis nördlich der Einmündung zur Wohnstraße „Am Walde“ auf insgesamt 1.025 m Länge.
Der Bauabschnitt liegt voll innerhalb der Stadt Glinde.
Der mit der öffentlichen Vorlage des Kreises 2021/4252 vorgelegte Bauentwurf (Ingenieurbüro Viebrock, Stand: 10/2019 ) ist auch Gegenstand der öffentlichen Vorlage 2022/4553, die am 27.06.2022 im Kreisverkehrs-Ausschuss unverändert mit den Stimmen der CDU, SPD (ein Ausschussmitglied enthielt sich) und Grüne bei Nein-Stimme der Linken-Vertreterin beschlossen wurde. (Vorlagen online verfügbar)
Mit der „grundhaften Erneuerung“ wird der bauliche Zustand des „Papendieker Redders“ für die nächsten Jahrzehnte verfestigt – bei Straßen wird m.W. eine 40jährige Bestandsdauer angenommen. Dies bedeutet auch, dass die „grundhafte Erneuerung“ den gesellschaftlichen Ansprüchen bis weit über das Jahr 2050 (das als Zeitpunkt für die Erreichung festgelegter Klimaschutzziele gilt) genügen muss.
Die „öffentliche Hand“, also auch Kreise und Kommunen, hat auf öffentlichen Flächen Vorbildliches zu realisieren:
· So fordert das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) im „§ 2 Verwirklichung der Ziele“: Bei der Bewirtschaftung von öffentlichen Grundflächen „sollen die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege in besonderer Weise berücksichtigt werden.“ (Absatz 4)
· Und das Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) formulierte im „Abschnitt 5 Vorbildfunktion der öffentlichen Hand“ konkret: „die Träger öffentlicher Aufgaben haben bei ihren Planungen und Entscheidungen den Zweck dieses Gesetzes und die zur Erfüllung festgelegten Ziele zu berücksichtigen.“ (§ 13 Berücksichtigungsgebot, Abschnitt 1)
o Hinweis: Das KSG 2019 ist im Jahr 2021 aufgrund eines Beschlusses des Bundesverfassungsgerichtes neu gefasst worden.
Nach dem Katastrophen-Ereignis der sog. Ahr-Flut im Juni 2021 mit zahlreichen Toten und der völligen Zerstörung von Gebäuden und Infrastruktur haben die führenden Wissenschaftler aus den Bereichen Wasserbau, Katastrophenschutz, Gefahrenabwehr im Juli 2021 „Fünf Prinzipien für klimasichere Kommunen und Städte“ erneut formuliert und gefordert, ein „großes Klimaanpassungsprogramm auf den Weg zu bringen“. (online unter ufz.de/index.php?de=48382)
Insbesondere das Prinzip 2 „Den Rückhalt und die Schwammfähigkeit von Landschaften, Städten, Gemeinden und Quartieren steigern“ ist nach meiner Auffassung bei heutigen Planungen der öffentlichen Auftraggeber zwingend zu berücksichtigen: Die Erfordernisse der Klimaanpassung sind umfassend umzusetzen. Dies gilt erst recht für Planungen, die die bauliche Infrastruktur auf Jahrzehnte verfestigen.
Der am 27.06.2022 Bauentwurf für die „grundhafte Erneuerung“ des Papendieker Redders sieht eine erhebliche Abholzung von jahrzehntealten großkronigen Platanen aus der dortigen Allee/Baumreihe vor: es sollen mindestens 12 (=25%) großkronige Platanen (sog. „Best Case“) bis 25 (=52%) (sog. „Worst Case“) der 48 großkronigen Platanen abgeholzt werden.
Allein 8 großkronige Platanen sollen für die Herstellung von zusätzlichen PKW-Stellplätzen (!) abgeholzt werden. Bemerkenswert: Allein 5 Platanen der „Best Case“- Liste und 3 Platanen der „Worst Case“ - Liste sollen hierfür abgeholzt werden! Da der Verkehrs-Ausschuss den Bauentwurf mit den neuen PKW-Stellplätzen beschlossen hat, hat er also auch beschlossen, mehr Platanen als in der „Best Case“ – Liste abzuholzen.
Die jahrzehntealte Platanenallee / -Baumreihe am Papendieker Redder stellt ein sehr wertvolles und bedeutsames Element in der Glinder Stadt-Natur dar.
Übrigens: Der „Antrag zur Fällgenehmigung wird zusammengefasst alle Bäume der Version „Worst Case“ enthalten. Ziel des LBV SH ist es die Platanen der Version „Best Case“ bis zum Februar 2023 zu entnehmen“, also abzuholzen! (Vorlage 2022/4553)
Nachdem CDU, SPD und Grüne dieser Abholzung umfassend zustimmen, gehe ich davon aus, dass auch mehr als die 12 großkronigen Platanen des „Best Case“ abgeholzt werden.
Platanen sind an städtische Klimate sehr gut angepasste Laubbäume, die sich mit ihrer riesigen Blattmasse, mit ihren großen Kronen und ihrer großen Verdunstungsleistung positiv auf die Beschattung und Abkühlung ihrer Umgebung auswirken und eine erhebliche Bindung von CO2 bei der Photosynthese erzeugen.
Die vorgesehene erhebliche Abholzung der großkronigen Platanen wird zu einer deutlichen Verschlechterung der klimaökologischen Ausgleichsfunktionen am Papendieker Redder – und den angrenzenden Wohngebieten -, zumal die als „Ersatzpflanzungen“ vorgesehenen Laubbäume bis zum Jahr 2050 (also in 27 Jahren) nicht das Volumen und die Bedeutung der heutigen Platanen erreichen können.
Die Platanen-Allee/ -Baumreihe entlang des „Papendieker Redders“ wird lebhaft von Fledermäusen als Jagdrevier genutzt (Fledermäuse sind durch das Bundesnaturschutzgesetz „besonders geschützte Arten“!). Die Kronen- und Stammbereiche der Platanen werden von einer großen Anzahl Gehölz-bewohnender Tierarten besiedelt.
Somit wird die Abholzung so vieler Platanen auch zur einer deutlichen Verschlechterung hinsichtlich biologischer Vielfalt und Artenschutzbelangen führen. (die vorgesehene „Ersatz“-Pflanzung von Baum-Jünglingen kann diese Verschlechterung erst in einigen Jahrzehnten mit dem Aufwusch zu großkronigen Platanen annähernd kompensieren.)
Ob es wirklich angesagt ist, heute den motorisierten Individual-Verkehr zur Richtschnur eines Straßenausbaus zu nehmen – Anregungen der Stadt Glinde zur stärkeren Berücksichtigung des Radverkehrs wurden m.W. weggewischt – ist zu bezweifeln.
Die beschlossene Planung beinhaltet keine Drosselung und kontrolliert verzögerte Abführung des Niederschlagswassers von der Straße in die vorhandene Kanalisation: Das Ziel der „Schwamm-Stadt“ zur Anpassung an erwartete Folgen der Klimaerhitzung könnte sehr leicht durch die Zwischenspeicherung von Regenwasser in Unterflur-Bassins (heißt: Verminderung des schnellen Abflusses der Niederschläge) erreicht werden, wodurch auch ein deutlicher Puffer-Stauraum bei den erwarteten vermehrten Stark-Niederschlags-Ereignissen geschaffen würde. Diese Minimierung der Abflussgeschwindigkeit ist jedoch nicht vorgesehen.
Zusammengefasst:
Meines Erachtens ist es wichtig, die Platanen-Allee / -Baumreihe in ihrer Gesamtheit als wichtiges Arten-Habitat der Glinder Stadt-Natur zu erhalten, aus dem Grunde der lokalen CO2-Bindung zu erhalten, und die klimaökologischen Ausgleichsfunktionen für die Zukunft sicher zu stellen – und um die angrenzenden Wohngebiete an die prognostizierte Klimaerhitzung bis zum Jahr 2050 anzupassen.
Übrigens:
Auch hinsichtlich der Beteiligung der Öffentlichkeit und der Informierung sowie Einbeziehung von Anregungen und Bedenken von Bürgern und Anliegern kann das beschlossene Verfahren nicht als Vorbild taugen: eine öffentliche Veranstaltung ist nicht vorgesehen. Die Öffentlichkeit wird im November 2022 durch die dann vorgesehene Abholzung „informiert“!
Und noch ein Übrigens:
Weder die mit den Erfordernissen des Klimaschutzes begründete Ablehnung der Linken-Vertreterin noch meine Stellungnahme mit dem Tenor „Diese Ausbauplanung passt nicht in die heutige Zeit“ finden Erwähnung in der Niederschrift über die Ausschuss-Sitzung.
verantwortlich:
Heinrich Dierking
Forum21-Mitglied
im Stormarner Kreistag
eine Nachbemerkung:
Besonders irritierend fand ich es, dass verwaltungsseitig in der Online-Vorlage 2022/4553 VOR der Ausschuss-Beratung im Juni 2022 die Einschätzung vorgegeben wurde "Ohne Klimarelevanz":