Reinbek, den 22.02.2019
Warum eine Aktualisierung und Erweiterung des „Reinbeker Stadtleitbildes“ sinnvoll und erforderlich ist
Der Reinbeker Haupt-Ausschuss hat 2018 eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich um die Überprüfung und Aktualisierung des „Reinbeker Stadtleitbildes“ kümmern und dem Haupt-Ausschuss ein Dokument zur Beratung vorlegen soll. Je Fraktion arbeiten 2 Mitglieder in dieser „Arbeitsgruppe Stadtleitbild“ mit, aus der Forum21-Fraktion Heidrun Tacke und Leif Fleckenstein.
Das „Reinbeker Stadtleitbild“ ist von der Stadtvertretung am 29.06.2006 einstimmig mit 29 Ja-Stimmen und 1 Enthaltung beschlossen worden.
Bereits am 19.08.2004 hatte der Haupt-Ausschuss „zur Koordinierung der Aktivitäten zum Stadtmarketing“ eine „Koordinierungsgruppe“ aus Politik und Verwaltung eingerichtet.
Nach Vorlage erster Arbeitspapiere fasste der Haupt-Ausschuss am 07.12.2004 den Beschluss,
„dass zuerst ein Leitbild zu entwickeln sei, u.a. als Grundlage für ein Stadtmarketingkonzept und die Positionierung Reinbeks im Standortwettbewerb in der Metropolregion Hamburg“. (siehe Vorlage 2006/30/033)
In der „Koordinierungsgruppe“ arbeiteten für die Fraktionen mit: Wilfried Potzahr (CDU), Baldur Schneider (SPD), Michael Zietz (Grüne), Heinrich Dierking (Forum21), Gaby Ix (FDP) sowie Michael Pohle (Verwaltung).
Die damalige Ausgangslage kann folgendermaßen umschrieben werden:
- Die „Agenda21“-Prinzipien der Rio-Konferenz 1992 hatten bislang keine angemessene Berücksichtigung in der Reinbeker Stadtentwicklung und Verwaltung gefunden! Insbesondere Fragen einer „Lokalen Agenda“ und der „Nachhaltigkeit“ waren nicht problematisiert.
- Es war ein riesiger Investitionsstau in der Unterhaltung und der Erneuerung städtischer Liegenschaften und Gebäude „aufgelaufen“!
- Die Verschuldung des städtischen Haushaltes hatte ein nicht mehr vertretbares Ausmaß erreicht: 2005 betrug der Schuldenstand ca. 21 Mio. Euro, für 2008 deutete sich ein Schuldenstand von ca. 30 Mio. Euro an (siehe Haushaltsplan 2006, Seite 26) mit der Tendenz weiteren Ansteigens! Dies gab Anlass zur Sorge, ob die städtische Einnahme-Situation eine nachhaltige Entwicklung ermöglichen könnte.
- Im Einzelhandel gab es Unzufriedenheit aufgrund mangelnder Entwicklungsmöglichkeiten, allgemein bestand die Sorge, dass im Bereich der Innenstadt von (Alt-) Reinbek keine positive Entwicklung (fehlende Erweiterungsflächen, fehlende PKW-Stellplätze) möglich sei. (Bereits Mitte der 1990er Jahre hatte ein „Stadtmitte-Hearing“ die problematische Situation in diesem Bereich diskutiert.)
- Allgemein war die Befürchtung, dass Reinbek im Standortwettbewerb mit Bergedorf und Glinde keine Vorteile aufzuweisen hatte. Insbesondere beunruhigte die Tatsache, dass ein hoher Anteil der Einzelhandels-Nachfrage nicht in Reinbeker Betrieben befriedigt werden konnte – viele Reinbeker fuhren zum Einkaufen in die Nachbargemeinden!
So war es einvernehmliche Sichtweise, dass Reinbek unbedingt ein „Stadtmarketing-Konzept“ benötige, um die eigenen Einzelhandels-Potentiale zu entwickeln und Reinbek attraktiv zu gestalten.
Die „Koordinierungsgruppe“ erarbeitete ein Konzept des Stadtleitbildes, das dann auch mit der Öffentlichkeit im Frühjahr 2006 intensiv diskutiert wurde; 28 z.T. ausführliche Stellungnahmen aus der Stadtgesellschaft konnten in den Entwurf des Stadtleitbildes eingearbeitet werden.
Mit dem „Stadtleitbild 2006“ entstand erstmalig eine einvernehmlich verfolgte Richtschnur für eine mittelfristig orientierte Stadt-Politik!
M.E. hat die vertrauensvolle Zusammenarbeit in der „Koordinierungsgruppe“ es auch ermöglicht, von dem „Rechte Seite“ – „Linke Seite“ – Denken Abstand zu nehmen und wichtige Politikfelder weitgehend einvernehmlich zu gestalten.
Das „Stadtleitbild 2006“ ist in der Folgezeit durch ein „Leitbild Schloss Reinbek“, durch eine Aussage zur Bedeutung von Städtepartnerschaften – die schließlich zur Gründung der „Partnerschaftskommitees (PaKom)“ führte -, sowie Beiträgen zur „Inklusion“ und zur „Seniorenfreundlichkeit“ ergänzt worden.
Bis 2010 sind dann zahlreiche Maßnahmen-Vorschläge aus der Stadtgesellschaft umgesetzt und/oder beraten worden (siehe Bericht der Koordinierungsgruppe vom 22.10.2010).
Heute gibt es jedoch mehrere triftige Gründe, das in vieler Hinsicht erfolgreiche „Stadtleitbild Reinbek“ zu überprüfen und zu aktualisieren, ja sogar fortzuentwickeln.
Seit 2006 sind u.a. folgende neue Rahmenbedingungen für die Entwicklung Reinbeks entstanden:
- Bereits 2006 wurde eine Einzelhandelskonzeption Reinbek entwickelt, die die Entwicklungschancen verschiedener Standorte diskutierte und Vorgaben zum jeweiligen Sortimentangebot festlegt: Ziel war, es die innerstädtische Standortkonkurrenz zum Vorteil der Gesamt-Stadt und der Stadt-Gesellschaft zu steuern.
- Mit dem Ausbau bzw. Neubau der Einzelhandels-Standorte Gutenberg-Straße/Liebig-Straße, Hermann-Körner-Straße (sog. „Bille-Center“), Sachsenwaldstraße, Bergstraße und Grenzweg ist das Angebot für die Einwohner stark erweitert worden. Damit ist es gelungen, deutlich mehr Umsatz zu generieren und die Einzelhandels-„Zentralität“ Reinbek kräftig zu steigern.
- Unerwartet ergab sich dann die von der Kieler Landesplanung verordnete Gründung des „Gemeinsamen Mittelzentrums Reinbek-Glinde-Wentorf“. Dieses weist der Stadt Reinbek weitergehende zentralörtliche Funktionen für den zugeordneten Verflechtungsraum mit den Nachbargemeinden zu.
- In der Folge ist dann auch ein gemeinsames „Einzelhandelskonzept Mittelzentrum“ („trilateral“!) erarbeitet worden.
- Die Mitarbeit in der Aktiv-Region „Hohe Elbgeest“ wurde aufgekündigt. Stattdessen ist mit Glinde, Oststeinbek, Barsbüttel sowie den Gemeinden des Amtes Siek die „Aktiv-Region Sieker Land – Sachsenwald“ gegründet worden.
- Aufbauend auf den Ergebnissen der unter weitgehender Beteiligung der Stadtgesellschaft erarbeiteten Vorschläge zur Verbesserung des Buslinien-Konzeptes wird derzeit ein neues angebotsorientiertes ÖPNV-Konzept des Kreises Stormarn umgesetzt, das mit neuen Buslinien und kürzeren Taktzeiten alle Reinbeker Stadtteile miteinander und mit der S-Bahnstation Reinbek verbindet.
- Der langjährige und extrem kostenträchtige Mietvertrag für das Veranstaltungsgebäude Sachsenwald-Theater / Sachsenwald-Forum ist fristgerecht gekündigt worden. Seit der Kündigung wird das Schloß Reinbek zum Kulturzentrum entwickelt.
- Seit Jahren „sprudeln“ die Steuereinnahmen Reinbeks auf einem sehr hohe Niveau, insbesondere das Gewerbesteuer-Aufkommen ist dank der seit fast 10 Jahren andauernden Konjunktur und der Marktstellung einiger Reinbeker Unternehmungen stark angestiegen.
- Politik und Verwaltung haben frühzeitig Maßnahmen der „Haushaltskonsolidierung“ beraten und umgesetzt, um eine nachhaltige Haushaltsplanung zu gewährleisten.
- Aufgrund der Null-Zins-Politik der Europäischen Zentralbank ist es möglich gewesen, die Zinslast der Stadt Reinbek zu optimieren und jährlich verträgliche Zins- und Tilgungs-Aufwendungen zu vereinbaren.
- Der 2005/2006 befürchtete Schulden-Anstieg auf über 30 Mio. Euro bereits 2008 konnte verhindert werden. Aktuell beträgt der Schuldenstand zum 31.12.2018 ca. 27 Mio. Euro und steht damit in einen verträglichen Verhältnis zum Eigenkapital..
- Seit einigen Jahren erwirtschaftet der städtische Haushalt erhebliche Jahresüberschüsse, die zu einem Anstieg des Eigenkapitals, der Allgemeinen Rücklage und der Ergebnis-Rücklage geführt hat. Die aktuell verfügbare „Bilanz 2017“ weist zum 31.12.2017 ein Eigenkapital von 47,2 Mio. Euro aus, was einem Anteil an der Bilanzsumme von 40% entspricht. (siehe Haushaltsplan 2019, S. 500/501). Die Ergebnisrücklage ist im Zeitraum 2010 bis 2018 auf 13,2 Mio. Euro angewachsen.
· Anders als im Stadtleitbild 2006 (S. 3) unterstellt, hat es seitdem „kein eher geringes wirtschaftliches Wachstum“ und keinen „deutlichen Bevölkerungsrückgang“ gegeben, sondern im Gegenteil eine Entwicklung zu einer boomenden Stadt. Die Einwohnerzahl ist von 26.065 Ende 2006 bis zum 31.12.2018 auf 27.583 Einwohner gestiegen! Die Nachfrage nach erschwinglichem Wohnraum, u.a. auch für Einpendler, für junge Familien, Alleinerziehende, Alleinstehende und Senioren ist enorm angestiegen und kann mit den bisher ausgewiesenen Wohnbauflächen nicht befriedigt werden.
· Leider hat die Stadtvertretung vor Jahren mehrheitlich die Veräußerung der städtischen Mietwohnungen befürwortet und umgesetzt.
· Die Stadtvertretung hat ein „Klimaschutz-Konzept“ sowie ein „Klimaschutz-Programm“ beschlossen, das der Umsetzung harrt und eine nachhaltige Entwicklung gewährleisten soll.
· Zwischenzeitlich ist ein sog. „Stadtscheck“ durchgeführt worden. Die Ergebnisse der „Bürgerstudie“ sind vielfältig und vielfältig widersprüchlich. Eine Erörterung in den städtischen Gremien hat es bislang nicht gegeben, eine sachlich-politische Bewertung und Verknüpfung mit Zielen der Landesplanung ist bislang nicht erfolgt.
Das „Stadtleitbild 2006“ beruhte auf einer verhalten-pessimistischen Erwartung der zukünftigen Entwicklung und bezog sich realistisch auf die zum damaligen Zeitpunkt anhaltend hohe Verschuldung und in Anbetracht des Unterhaltungs- und Investitions-Staus erwartete weitere Neu-Verschuldung des städtischen Haushaltes sowie die vermeintlich geringe wirtschaftliche Kraft des Reinbeker Einzelhandels.
Damit sind zentrale Aussagen des „Stadtleitbildes 2006“ unter den beschriebenen heutigen Rahmenbedingungen kritisch zu überprüfen, zu aktualisieren und zum Teil auch zu verwerfen.
Wir erhoffen uns von der „Arbeitsgruppe Stadtleitbild 2019“ eine vertrauensvolle Zusammenarbeit aller Fraktionen zum Wohle Reinbeks und eine inspirierende Wirkung auf die zukünftige Stadtpolitik.
Heinrich Dierking